Mehr Aktion! im Wohnquartier „Am Spargelacker“

Die Butze 22 ist „volljährig“!

Der Kindertreffpunkt Butze 22 ist eine offene Einrichtung für Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren zu dem ca. 80 Kinder überwiegend aus dem Wohngebiet „Am Spargelacker“ in Bemerode kommen. Hanna Ates, Leiterin des Kindertreffpunkts im Gespräch mit Mehr Aktion! anlässlich des 18. Geburtstags der Butze 22 – eine gute Gelegenheit zurückzublicken und einen Ausblick zu wagen.

Wie hat sich die Butze 22 entwickelt, nachdem sie vor 18 Jahren ins Leben gerufen wurde? Wer waren die Geburtshelfer? 

In Bemerode gab es bereits das Jugendzentrum (ab 14 Jahren) in der Trägerschaft der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde am Döhrener Turm (EFG). 2003 wurde deutlich, dass es im Quartier „Am Spargelacker“ mit Belegwohnungen der Stadt Hannover und einer erhöhten Kriminalitätsrate einen gesteigerten Betreuungs- und Förderbedarf auch für Kinder unter 14 Jahren gab. Deshalb schrieb die Stadt ein sogenanntes „Lückekinder-Projekt“ aus, für das die Gemeinde den Zuschlag bekommen hat. Das lag nah, weil so das Jugendzentrum und das neue Projekt in der Trägerschaft der EFG gut verknüpft werden konnten.

Als ich im Mai 2008 anfing, starteten wir mit zwei Öffnungstagen, mit mir als hauptamtlicher Kraft sowie einer ABM-Kraft. Baulich musste nicht viel verändert werden, denn Küche, Toiletten, Besprechungszimmer, Lager – das war alles schon da. Im Sommer folgten grundlegende konzeptionelle Änderungen. Ein Jahr später gab es schon eine Lernwerkstatt, neues Mobiliar etc. Um die Erweiterung der inhaltlichen Arbeit zu ermöglichen, warb ich von Beginn an um Ehrenamtliche und Spenden. Eines Tages besuchten uns Alexa v. Wrangell und Carmen Sievers von Mehr Aktion! und waren überrascht, wie die Butze 22 inzwischen aufgestellt war. Sie entschlossen sich, ihre Förderung deutlich zu erhöhen, was einen entscheidenden Schub verursachte: Wir konnten einen dritten Öffnungstag anbieten!

Damals stieß ich übrigens in den Unterlagen auf den Slogan „Ich bin wertvoll, Du auch“, der in den Anfängen entwickelt worden war und fand ihn so genial, dass ich ihn zum Motto erhob mit der entsprechenden Außen- und Innenwirkung – als Grundlage unserer Arbeit.

Wie waren die „Kinderjahre“ und die „Teenagerzeit“? Welche Entwicklungen, welche Unterstützung, welche Erschütterungen gab es?

2015 erhöhte die Stadt ihre Förderung unter der Voraussetzung der räumlichen und zeitlichen Erweiterung noch mal erheblich, sodass seither vier Öffnungstage möglich sind und freitags Projekte angeboten werden können.

Corona war sicher eine solche Erschütterung. Eine besondere Herausforderung war, die Nähe zu den Kindern zu halten trotz der räumlichen Distanz (hierüber haben wir hier bereits berichtet). Aber schließlich hat all dies sogar zur Stärkung des Teams geführt hat, das inzwischen ein internationales und interkulturelles Team mit ca. 50 Personen ist und somit auch die Lebenswirklichkeit der Kinder widerspiegelt.

Welche Rolle spielt die Butze 22 in ihrem Umfeld, dem Quartier „Am Spargelacker“ in Bemerode? Warum wird sie dort so dringend gebraucht?

Die Butze 22 ist eine wichtige Anlaufstelle für die Menschen dort, die mindestens zu 90 Prozent Migrations- und Fluchterfahrung haben. Sie trägt entscheidend zum friedlichen Miteinander im ganzen Wohnquartier bei. Man muss sich vorstellen, dass hier Menschen Tür an Tür leben, deren Herkunftsländer vielleicht miteinander im Krieg sind und die natürlich extreme Vorbehalte haben. Hier gilt es zu vermitteln, dass die Nachbarn genauso bedürftige Menschen sind wie man selbst. Dass es gut ist, den anderen wie sich selbst als Menschen anzunehmen und auch mit dem Motto zu sehen: „Ich bin wertvoll, Du auch“. Weil die Butze auch in diesem Prozess einen maßgeblichen Anteil hat, wurde uns 2019 vom Integrationsbeirat Kirchrode-Bemerode-Wülferode der Integrationspreis verliehen – und der Bürgermeister lässt es sich nicht nehmen, jedes Jahr ein Grußwort zum Internationalen Weihnachtsfrühstück an die Familien zu richten.

Was hat in all den Jahren am meisten Arbeit gemacht, was die meiste Freude?

Ich sehe die Butze 22 wie ein Mobile. 2008 habe ich sie als kleines Mobile übernommen, dann hat es immer wieder neue Verknüpfungen gegeben, Neues hat sich dazugefügt mit vielen Facetten, die es gilt im Gleichgewicht zu halten. Dazu gehören Personalaufwand, Finanzen, Öffentlichkeit und am wichtigsten: dass sich die Kinder wirklich wohlfühlen, aufgefangen sind. Das bedeutet, immer aufmerksam zu sein, Bedarfe zu erkennen und Wege der Realisierung zu finden. Ganz konkret: Wenn ein Kind eine Lernförderung braucht, den oder die passende Mitarbeitende zu finden, denn beide müssen auch miteinander harmonieren. Dabei geht es auch um die Selbstwirksamkeit der Kinder, sie an den Prozessen zu beteiligen und nicht nur zu verwalten. Um die Belange abzustimmen, treffen wir uns täglich in Teambesprechungen. Einmal in der Woche haben wir die Young-Team-Besprechung (Young-Teamer sind junge Mitarbeitende, die meist selbst „Butzekinder“ waren), einmal im Monat die Kinderkonferenz. Da tauschen wir uns aus, beraten miteinander und beschließen, wie es weitergehen soll. Freude macht mir alles, auch die kleinen Details, die dann wirklich aufgehen, wo etwas genau passt, und man merkt: Hier wird eine Chance ergriffen, da öffnet sich etwas. Das gibt mir Kraft, das Ganze weiter am Laufen zu halten und macht mich sehr glücklich.

Kein Mensch ist mit 18 mit seiner Entwicklung am Ende. Wie sieht es bei der Butze 22 aus? Welche Pläne, Ideen, Wünsche, Ziele gibt es für die weitere Entwicklung?

Dadurch, dass die Butze 22 so gewachsen ist, ist es kaum noch möglich, dass ich sie allein als Hauptamtliche leite. Deshalb wäre eine weitere pädagogische Kraft ein großer Wunsch. Wenn man weiter wünschen möchte, kann ich mir auch gut eine räumliche Erweiterung vorstellen. Ein Büro in einer Wohnung vor Ort wäre großartig und mit Räumlichkeiten für Angebote für Familienangehörige und kleinere Kinder, sodass man schon früh Kontakt zu den Eltern bekommt.

In Arbeit ist eine eigenständige neue Webseite: www.butze22.de. Dort werden im Frühjahr 2023 auch Interviews zu finden sein, die ich mit den verschiedensten Menschen im Rahmen eines Interviewprojekts führe, die mit der Butze 22 Kontakt hatten und haben. Da kann man mal reinhören und wird schnell merken, wie vielfältig der Blick auf die Butze 22 ist – das wird sehr spannend.

Das Allerwichtigste ist, dass sich die Kinder in der Butze 22 weiterhin entfalten können, dass sie bei uns ganz Kind sein dürfen, dass sie laut sein dürfen, dass sie sich ausprobieren können, dass sie auch scheitern dürfen, dass sie so angenommen sind, wie sie sind, egal wie gut oder schlecht gelaunt sie von der Schule kommen, dass sie einfach einen Ort haben, wo sie sein können wie sie sind.

Wie könnte man die Butze 22 in drei Wörtern beschreiben?

Weil unser Motto so tiefgründig ist und wir eben im Gespräch festgestellt haben, dass es in das ganze Wohngebiet hineinreicht, in die Verbindung der Menschen untereinander, würde ich jetzt gar nichts anderes sagen als: „Ich bin wertvoll, Du auch.“