Bereits im Oktober 2023 führte die Grundschule Lehrte-Süd das Präventionsprojekt !Respect durch. Veranstaltet hat es der gleichnamige Verein aus Hannover. Mehr Aktion! leistete die Anschubfinanzierung. Vom 16. September bis 27. September 2024 kam !Respect erneut in die Klassen – mit dem Ziel, die Lernatmosphäre an der Schule nachhaltig zu verbessern. Alle Klassen, alle 240 Kinder der Ganztagschule nahmen am Projekt teil. Wie profitieren Schule und Unterricht? Wie schafft es die Schule, dass die Maßnahme nicht verpufft? Mehr Aktion! sprach mit Astrid Bahl, Klassenlehrerin der 1A.
Mehr Aktion!: Wie hat man sich !Respect vorzustellen? Wie haben Sie das Präventionsprojekt erlebt?
Astrid Bahl: Die ersten Klassen hatten insgesamt dreimal einen doppelstündigen Projekttermin und die 2. bis 4. Klassen erhielten eine doppelstündige Auffrischung der Inhalte. Da meine 1. Klasse gerade neu zusammengestellt wurde, machte der Trainer die Kinder erst mal mit den Regeln von !Respect vertraut – eine intensive Einführung. Das Ganze findet bei uns immer in der Turnhalle statt, da die Ansätze spielerisch und mit viel Sportanteilen vermittelt werden. Ich als Klassenlehrerin bin mit dabei, jedoch als stille Beobachterin im Hintergrund – das verschafft noch mal eine (andere) Außensicht auf die Klasse, und ich kann später vieles im Unterricht aufgreifen. Auch unsere pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind integriert und setzen im Nachmittagsprogramm die !Respect-Regeln um.
Mehr Aktion!: Welche positiven Effekte hat das Projekt? Wie beeinflusst !Respect die Klassenatmosphäre?
Astrid Bahl: Meine Kinder sind eben erst im August eingeschult worden, die Klasse muss sich erst mal finden. Gerade in den ersten Schulwochen ist soziales Lernen das A und O. Da gibt so ein Projekt den Kindern Sicherheit, weil der Trainer mit ihnen Regeln oder Verbindlichkeiten einübt und mit vielen verschiedenen Spielen ihr Wir-Gefühl stärkt – und zwar so intensiv, wie wir es im Unterricht neben Mathe oder Deutsch nicht können. Das war schon sehr gewinnbringend für meine Klasse. Und ich hatte das Glück, mitzumachen oder einfach nur zu beobachten, und dann die !Respect-Inhalte später noch mal mit den Kindern zu besprechen. So bekommen wir auf spielerische Weise Strategien an die Hand, die im Schulalltag enorm wichtig sind. Eine der wichtigsten ist die Stopp-Regel, mit der die Kinder langfristig lernen sollen, Konflikte selbst zu lösen.
Mehr Aktion!: Wie profitieren Unterricht und Lernatmosphäre vom Präventionsprojekt?
Astrid Bahl: Generell: Lernen ist nur möglich, wenn man sich sicher fühlt, das haben viele Studien gezeigt. !Respect ist ganzheitlich konzipiert, d.h. der Trainer kommt nicht nur 1 x pro Jahr, sondern alles führen wir täglich im Unterricht und auch nachmittags fort. Wir wiederholen die Regeln in der Klasse, wir können uns als Lehrer darauf berufen, die Kindern erleben feste Verbindlichkeiten – das alles gibt den Kindern Sicherheit, das hilft dem sozialen Miteinander, auch der Klassengemeinschaft und insgesamt der Lernatmosphäre.
Mehr Aktion!: Wie leben Sie nun die !Respect-Regeln weiter? Wie schafft es Ihre Schule, dass die Aktion nicht verpufft?
Astrid Bahl: Nach Projektende gab es eine Dienstversammlung mit allen Lehrkräften und pädagogisch Mitarbeitenden aus dem Ganztag. Es ging darum, die gesamte !Respect-Maßnahme zu reflektieren, und die Frage, was wir wollen. Darüber haben wir abgestimmt. Denn der !Respect-Ansatz funktioniert nur, wenn wir ihn im Schulalltag leben. Sonst verpufft das Projekt. Es macht nur Sinn, wenn wir uns auf eine Verbindlichkeit einlassen, die nicht nur für die Kinder, sondern auch für uns Lehrer gilt. Wir sind dafür verantwortlich, dass das Projekt weiterlebt. Aber das geht nur, wenn wir alle es immer wieder in den Schulalltag bringen und uns ans Langzeitziel halten: Wir wollen die Kinder in die Lage versetzen, Konflikte weitestgehend selbstständig lösen zu können. Dafür müssen wir ihnen Handlungsstrategien geben, die wir immer wieder mit ihnen üben müssen. Darin waren wir uns einig. Und es war ein wichtiges Stimmungsbild, das für Gewissheit sorgte, wir alle wollen nicht nur !Respect 2025 fortsetzen, wir wollen es auch leben, es permanent in die Klasse bringen und die Regeln konsequent durchziehen.
Mehr Aktion!: War das Präventionsprogramm identisch mit dem von 2023? Wenn nicht, was war anders und warum?
Astrid Bahl: Ich habe !Respect schon dreimal mitgemacht und finde interessant, wie unterschiedlich es ist und doch auch gleich. 2023 hatte ich eine 4. Klasse. Da ist das Training schon ganz anders, weil die Kinder älter sind, der Trainer eine Klassengemeinschaft mit Wir-Gefühl vorfindet. Er kann in die Tiefe gehen, z.B. bei aktuellen Konflikten, Außenseitern oder Mobbing in der Klasse das Gespräch mit der Lehrkraft suchen und im Training das Thema mit Rollenspielen aufgreifen, um Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Grundsätzlich gibt es bei diesem Projekt einen festen Rahmen, aber angepasst an die jeweilige Jahrgangsstufe und ihre Situation … eine 1. Klasse macht andere Spiele als eine 4.
Mehr Aktion!: Alle Kinder, Lehrkräfte und pädagogischen Mitarbeitenden sind involviert – kontinuierliches Anwenden der Regeln auf allen Ebenen … steht Prävention somit in der Schulordnung?
Astrid Bahl: In unserer Schule haben wir Soziales Lernen als Unterrichtsfach fest im Stundenplan verankert – jede Klasse eine Stunde pro Woche. Und in unserem schuleigenen Arbeitsplan haben wir uns darauf geeinigt, dass wir mindestens 14-tägig eine dieser Stunden dafür nutzen, die !Respect-Spiele durchzuführen und die Strategien zu wiederholen. Unsere Schülerinnen und Schülern brauchen Handlungsstrategien, mit denen sie ihre Konflikte eigenständig lösen können. Diese vermitteln wir ihnen, so dass sie sie verinnerlichen. Aber auch wir Lehrer profitieren davon, denn wir können uns auf die verbindlichen Regeln berufen – eine Art Leitlinie für den Schulalltag.