Von Linden-Süd zum Misburger Wald im Nordosten von Hannover fährt man mit dem Bus, der Stadtbahn oder dem Auto höchstens eine halbe Stunde. Und doch ist ein Ausflug dorthin für Kinder, die selten etwas anderes erleben als den Alltag in einem problematischen Umfeld, wie eine Fahrt in eine andere Welt. Zu den Kindern, die regelmäßig das Kinderzentrum Allerweg in Linden-Süd besuchen, gehören auch einige, die aus Familien des sozialen Rands kommen. Ihr tägliches Leben ist nicht selten von Armut, Kriminalität, Alkoholismus oder Drogensucht der Erwachsenen geprägt. Naturerleben kommt da eher nicht vor.
Aus diesem Grund fördert Mehr Aktion! in diesem Jahr ein Freizeitprogramm zur Tier- und Naturerfahrung, das am 25. Mai mit „Walderleben mit allen Sinnen“ im Misburger Wald startete. Mit einem Waldpädagogen durften die Kinder den für sie unbekannten Lebensraum erfahren, den Wald und seine Bewohner kennenlernen. Bäume wurden gestreichelt, die sich anfühlten wie Elefanten- oder Krokodilhaut, die Höhle eines Spechts wurde entdeckt, mitgebrachte Felle und Geweihe der im Misburger Wald heimischen Tiere durften angeschaut und angefasst werden, sodass alle Kinder Gelegenheit hatten, den Wald zu fühlen, zu sehen, zu riechen.
Wer weiß wie die Markierung eines Rehbocks aussieht? Und wozu ist sie überhaupt gut? Vom Waldpädagogen lernten die Kinder, dass junge Rehböcke im Frühjahr beginnen, ihr Revier zu markieren, indem sie an Baumstämmen „fegen“. Das heißt, sie reiben den abgestorbenen Bast ihres Gehörns an Bäumen ab und verteilen über Duftdrüsen Markierungen. Dabei hinterlassen sie deutlich sichtbare Verletzungen an der Baumrinde. Einmal gesehen, fanden die Kinder schnell weitere Markierungen. Nachdem sie spielerisch vom Waldpädagogen viel über den Lebensraum Wald erfahren und gelernt hatten, durften sie mit Frottage-Technik selbst gesammelte Blätter mit Wachsmalern abpausen.
Letztes Highlight des Tages: Jedes Kind erhielt einen kleinen Spiegel. Hält man ihn vor die Nasenspitze und geht durch den Wald, fühlt man sich wie ein Vogel, der über den Baumwipfeln schwebt. Hält man den Spiegel vor die Stirn, ist man dem Waldboden so nah wie eine Waldameise. Bereichert kehrten die Kinder mit Ihren Betreuer*innen vom Kinderzentrum Allerweg wieder zurück nach Linden-Süd. Und alle glauben fest daran, dass auch das sechsjährige, stark entwicklungsverzögerte Mädchen, das sich allen Aktivitäten verweigert hat, kein Vogel, keine Ameise sein und auch nichts streicheln wollte, aus Angst gebissen zu werden, auf Ihre ruhige aufmerksame Weise den Wald auch mit allen Sinnen erlebt hat.
Nächste Ausflüge:
Besuch eines Bauernhofes mit angeschlossenem Hofladen:
Auf dem Bauernhof lernen die Kinder etwas über Nutztierhaltung. Im angeschlossenen Hofladen erfahren Sie, welche Obst- und Gemüsesorten angeboten werden und warum einige bekannte Sorten zum Zeitpunkt der Besichtigung dort nicht zu kaufen sind.
Besuch des Wisentgeheges in Springe:
Im Wisentgehege leben Tiere in naturnahen Anlagen. Oftmals braucht es daher viel Geduld, bis man einen Blick auf die heimischen und in der weiteren nördlichen Hemisphäre vorkommenden Wildtiere werfen kann. Auch besonders gefährdete Arten leben im Wisentgehege.