Behutsam startete der Einsatz der Mediatorinnen und Mediatoren aus dem Programm „SiS – Seniorpartner in School“ in den meisten Teams vor einigen Monaten wieder, nachdem ihr Einsatz aufgrund der Corona-Pandemie einige Zeit pausieren musste. Und es zeigte sich schnell: Die SiS-Seniorpartner wurden mehr denn je gebraucht! Inzwischen ist mehr als ein halbes Jahr vergangen und der Alltag hat sich in den meisten Schulen in Niedersachsen einigermaßen normalisiert, es findet wieder Präsenzunterricht statt, die Test- sowie die Maskenpflicht sind entfallen. Trotzdem gibt es noch Tage, an denen sich die Kinder bei den Mediatorinnen und Mediatoren die Klinke in die Hand geben. Doch an anderen Mediationstagen wird es schon mal ziemlich langweilig, und die Seniorin oder der Senior ist vor Ort, ohne benötigt zu werden. Besonders an der Wilhelm-Busch-Schule in Hannover-Oberricklingen fiel das auf.
„Seniorpartner Michael Meyhöfer hat sich damit nicht zufriedengegeben“, sagt Ingeborg Mieth von der SiS-Regionalgruppe Hannover. „Deshalb nutzte er seine Zeit in der Schule und sprach mehrfach Kinder an, die zum Beispiel wegen eines Pausenhofverbots vor dem Lehrerzimmer saßen.“ Daraus entwickelte sich die Idee, natürlich in Absprache mit der Schulleiterin, diesen Kindern anzubieten, dass sie während der Pause in den Mediationsraum kommen oder sie auf dem Schulhof zu begleiten. So hatten die Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit, von sich zu erzählen. „Und wir Seniorpartner haben auf diese Weise eine Menge darüber gelernt, was viele der Kinder an der Schule brauchen, aber normalerweise im Klassenverband nicht bekommen können – nämlich ganz persönliche Zeit und Ansprache“, erklärt Ingeborg Mieth. Und dass die Kinder mit dem höchsten Bedarf an individuellem Kontakt oft Kinder sind, die auch zu Hause nicht die positive Aufmerksamkeit erhalten, die alle Kinder brauchen, um sich entwickeln und entfalten zu können.
„Als Schulleiterin hätte ich immer schon gerne gewusst, was hinter der Tür des ‚Raums der guten Lösungen‘ geschieht, aber das unterliegt natürlich der Verschwiegenheit.“ Als sie in Pension ging, wurde Cornelia Heimbucher selbst Seniorpartner in School an der Grundschule am Welfenplatz und lüftete das Geheimnis für sich. Die ehemalige Schulleiterin der Fichteschule hatte vor dreizehn Jahren dort als erste in Hannover das SiS-Programm ausprobiert. Aus ihren Erfahrungen als Seniorpartner weiß sie zu berichten, dass „auch während einer Mediation sich bei manchen Kindern weiterer individueller Gesprächsbedarf zeigt. Da kommen Themen auf wie ‚Die anderen Kinder sind gemein zu mir‘, ‚Ich finde keine Freunde‘ oder ‚Der kann so gut Fußball spielen und ich nicht‘“. Cornelia Heimbucher hatte vergangenes Jahr eine Online-Ausbildung zum Seniorpartner absolviert, in der bereits wertvolle Tools mit besonderen spielerischen Aspekten für „Lösungsorientierte Einzelgespräche“ vermittelt wurden, die in vorherigen Ausbildungen vor Ort so nicht enthalten waren. „Dadurch konnten wir unser Angebot deutlich erweitern, was auch ein Gewinn für die SiSler ist. Schön wäre, wenn auch die, die schon länger dabei sind, diese Werkzeuge an die Hand bekämen, um qualifiziert in kindgerechter Form den Bedarf an ‚Lösungsorientierten Einzelgesprächen‘ decken zu können.“
Aus der Erfahrung an der Wilhelm-Busch-Schule hat sich inzwischen jedenfalls schon mal eine Kooperation mit der Lehrerschaft und der Schul-Sozialpädagogin ergeben, sodass die Seniorpartner regelmäßig gebeten werden, sich um einzelne Kinder – sogar während der Unterrichtszeit – zu kümmern. Denn es gibt immer wieder Schülerinnen oder Schüler, die im Klassenverband nicht gut zurechtkommen und solche, die einfach mal eine kleine Auszeit brauchen, um wahrgenommen zu werden. „Allen Beteiligten ist zudem bewusst, dass der Hauptfokus des Programms weiterhin bei Kindern mit Mediationsbedarf liegt und diesen im Zweifel der Vorrang gewährt wird“, ergänzt Ingeborg Mieth. Klar ist auch allen, dass die SiS-Seniorpartner keine Ersatzpädagogen sind, auch keine Kinderpsychologen, aber Menschen mit viel Erfahrung und mit Zeit für die, die sonst nicht genug Zuwendung bekommen. Die „Werkzeuge“, die sie mitbringen, sind dabei die Fähigkeit, zuzuhören und ihre Empathie. Mittlerweile ist es so, dass kaum einer der drei Anwesenheitstage pro Woche an der Wilhelm-Busch-Schule in Oberricklingen ohne kleine Besucherinnen oder Besucher vergeht – für eine Mediation oder einfach für Zeit und Aufmerksamkeit. Von Langeweile kann also keine Rede mehr sein!