Das Jahr 2020 war und ist bei Violetta ein Jahr großer Veränderungen, neuer Erfahrungen und Entwicklungen, so viel kann gesagt werden. Nicht nur, dass die Mitarbeiterinnen aufgrund der Corona-Pandemie neue Wege finden mussten, ihre Arbeit fortzusetzen – zumal der Bedarf in dieser Zeit eher gestiegen ist – außerdem war ein Umzug zu bewältigen. Aber eins nach dem anderen: Violetta ist in Hannover eine Institution – im doppelten Sinne. Bereits 1988 wurde der Verein gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und jungen Frauen e. V. gegründet. Der gemeinnützige Verein engagiert sich seitdem für die gesellschaftliche Aufklärung über sexuelle Gewalt gegenüber Mädchen und jungen Frauen. Seit 1993 ist Violetta e. V. auch anerkannter Träger der freien Jugendhilfe und seit 1998 befand sich die Beratungsstelle von Violetta in der Seelhorststraße 11.
Im Januar 2019, 22 Jahre später, hatte der Eigentümer des Hauses gewechselt, was dazu führte, dass neue Räumlichkeiten gefunden werden mussten. Eine große Herausforderung! Die Miete durfte nicht höher sein als bisher, es wurde natürlich weiterhin ein großer Gruppen- und Fortbildungsraum benötigt und diesmal sollten die Räume möglichst barrierearm sein. Auch sollte die Lage so sein, dass Mädchen und junge Frauen die Beratungsstelle zu jeder Jahres- und Tageszeit unkompliziert und angstfrei erreichen können. Im August dieses Jahres war es dann soweit: Inzwischen ist Violetta in die neuen, sehr großzügigen, hellen und gut erreichbaren Räume in der Rotermundstraße 27 in Vahrenwald eingezogen. Hier gibt es nicht nur einen schönen Wartebereich, der sich auch gut für kurze Gespräche eignet, sondern ebenfalls einen großen Seminarraum, genug Büroräume und sogar Platz für Schautafeln der Entwicklungsgeschichte „30 Jahre Violetta“, die zur entsprechenden Jubiläumsfeier entstanden waren. Wichtig war, dass die Inneneinrichtung gleichblieb, damit sich vor allem die jungen Klientinnen mit den bekannten Möbeln, Farben und Spielen wie zu Hause fühlen konnten. Und viele kleine und große Besucherinnen bestätigten, dass die neuen Räume eine deutliche Verbesserung sind.
Parallel zur Suche nach neuen Räumlichkeiten und dem folgenden Umzug war dann plötzlich auch noch alles „Corona“. Doch es zeigte sich, wie eine Violetta-Mitarbeiterin feststellte: „Krise, das können wir!“. Natürlich. Vom 16. März bis zum 4. Mai 2020 war die Violetta-Beratungsstelle für persönliche Beratungen geschlossen. In sensationell kurzer Zeit wurden neue, kreative Wege für die Arbeit mit den Klientinnen und für die interne Zusammenarbeit gefunden. Zum Beispiel konnten die telefonischen Sprechzeiten deutlich ausgeweitet werden, alle Kolleginnen haben ein Diensthandy bekommen, sodass sie den Kontakt zu ihren Klientinnen halten konnten. Der Kontakt zu den Mädchen und ihren Familien war in der Krise besonders wichtig, um für Stabilisierung zu sorgen. „Manche Telefonate mit den jungen Klientinnen sind recht kurz, andere scheinen es zu genießen, aus ihrem neuen Alltag erzählen zu können.
Manchmal fragen wir behutsam nach Dingen, von denen wir wissen, dass sie für die Mädchen schwierig sind: Probleme beim Einschlafen, Alpträume, Wut, Angst und Ärger oder Stimmungsschwankungen. Viele freuen sich, wenn wir – wie sie es aus der Spieltherapie kennen – einen Spielvorschlag für die Telefonsituation machen. Das sind auch mal altbekannte Kinderspiele wie Schiffe versenken, Käsekästchen oder Galgenmännchen, die uns an beiden Enden der Leitung viel Spaß machen. Und: Wir merken, dass wir für jedes Mädchen individuell überlegen müssen, wie und worüber wir den Kontakt zu ihr gestalten!“, berichten die Mitarbeiterinnen Uta Schneider und Mihaela Icodean. Auch kleine Briefe und gemeinsame Spaziergänge kamen zum Einsatz, um den Kontakt aufrecht zu erhalten. Seit dem 4. Mai kann nun wieder persönlich beraten werden. Dafür wurde natürlich ein spezielles Konzept entwickelt, um den Corona-Hygieneregeln gerecht zu werden.
Die Corona-Krise brachte auch mit sich, dass einige Kinder während der Zeit der Schul- und Kitaschließungen in der vermehrten Familienzeit den Mut fassten, ihren Eltern von außerfamiliärem Missbrauch zu berichten. Und umgekehrt kamen Kinder nach Wochen zurück in Kindertagesstätten, Schulen, Jugendzentren und andere Freizeitangebote. Auch hier sind die Fachkräfte wichtige Bezugspersonen und oft erste Ansprechpersonen, wenn Kinder von sexualisierter Gewalt berichten. Viele Fachkräfte sind dann erst mal verunsichert und wissen nicht, wie sie reagieren sollen. Aus diesem Grund hat Violetta mit neuen Web-Angeboten wie beispielsweise dem Web-Seminar „Sicher reagieren, wenn Kinder von sexueller Gewalt berichten“ auf diese Situation reagiert. In den Web-Seminaren bekommen Fachkräfte Unterstützung, sicherer im Umgang mit Vermutungen und Offenbarungen zu handeln. Die Erfahrung mit der seit vielen Jahren von Mehr Aktion! geförderten Online-Beratung war ein großer Vorteil für das Format sowie auch die bereits vorhandene gute technische Ausstattung. Aktuell fördert Mehr Aktion! das Fortbildungs- und Seminar-Programm von Violetta, das dank eines guten Hygienekonzepts nun auch wieder vor Ort stattfinden kann. Und aufgrund der jetzt gemachten positiven Erfahrungen werden auch künftig weiterhin Fortbildungen im Online-Format stattfinden, da so weitere Zielgruppen erreicht werden können.