Das hat Kaja* schon lange nicht mehr erlebt, dass ihr die Haare geflochten werden. Sozialpädagogin Sarah streicht ihr sanft mit dem Kamm durchs Haar. In der Familie ist dafür selten Zeit, denn Kajas große Schwester ist Autistin und braucht viel Unterstützung von den Eltern. Geschwister autistischer Kinder müssen oft zurückstecken und früh Verantwortung übernehmen. Selten haben sie die Möglichkeit, über das Anderssein von Bruder oder Schwester zu sprechen. Hauptaufgabe des Vereins Autismus Hannover e. V. ist zwar die Förderung autistischer Kinder und Jugendlicher, doch es werden auch „Geschwisterangebote“ veranstaltet, die in diesem Jahr wie bereits 2017 von Mehr Aktion! finanziert wurden.
An zwei Samstagen und einem Wochenende standen die Bedürfnisse der Geschwisterkinder im Mittelpunkt. So auch am Samstag, den 29. September, als sich außer Kaja noch weitere acht Kinder im Alter von 7 bis 14 Jahren auf dem Gelände des Autismus-Zentrum Hannover, einer Einrichtung des Vereins, in der Bemeroder Straße einfanden. Hier kümmerten sich nun die Pädagog*innen um sie, die sonst für ihre Geschwister da sind. Nach Gruppenspielen mit dem Tau durften sich alle mit Bodypaintingfarben – unter Anleitung – verwandeln. Während einiger Stunden konzentrierten Bemalens, konnten belastende Themen von zu Hause vergessen werden.
Am Nachmittag gab es ein Familienfest mit Eltern und Geschwistern. Berührt standen zwei Mütter vor herbstlich mit Sonnenblumen, Kastanien und Kerzen gedeckten Tischen. „Das ist alles für uns?“ Kartoffelsalat, Würstchen und Baguette – ganz einfach und schlicht. Das Besondere daran war, so ganz als Familie versorgt zu werden. Ein langes dickes Tau und 28 Personen – das reicht, um Stimmung zu machen! Tauziehen, mal im gemischten Team, mal Kinder gegen -Erwachsene – die autistischen Geschwister mitten-drin. Und dann finden nochmals Verwandlungen statt: Hampipampis, kleine Gnome aus zwei Personen, die hintereinander stehen. Einer übernimmt die Beine und den Kopf. Der Andere ist für Hände und Arme zuständig. Steckt darin ein bunt bemalter Geschwisterkopf und entdecken die Eltern ihren Spieltrieb wieder, wird daraus eine urkomische Familienaktion. Wie schön, einfach mal gemeinsam zu lachen!
* Name geändert
Fotos: Birte Müller